food­sharing Dresden

26.04.2024

Pressemitteilung

Stellungnahme von Foodsharing Dresden zur Zusammenarbeit bzw. Nichtzusammenarbeit mit Angehörigen der sog. Anastasia-Bewegung

20. November 2021

Foodsharing holt unter anderem über­schüssige Lebensmittel bei kooperierenden Unter­nehmen ab und sorgt mit der unent­gelt­lichen Weiter­gabe dafür, dass sie besten­falls in Mägen landen statt in der Tonne. Hierbei geht es vor allem um die Eindämmung der Lebens­mit­tel­verschwen­dung auf allen Ebenen, da Lebens­mittel­anbau und ‑produktion zum Teil immense Ressourcen erfordern und in Summe neben einer zunehmenden Umwelt­zer­störung den menschen­gemachten Klima­wandel eindeutig verstärken.1 Die indi­vi­du­ellen Wert- und Glaubens­vor­stellungen der an der Abgabe beteiligten Personen sind im Allgemeinen zweit­rangig, Lebens­mittel sind Lebens­mittel und gehören natür­lich sofern sie noch genießbar sind und sich das vermeiden lässt nicht in die Tonne. Dafür arbeiten wir.

Foodsharing arbeitet gemäß seiner Grund­sätze allerdings dennoch nicht „mit Parteien, Orga­ni­sa­tionen, Betrieben oder Einzel­per­sonen“ zusammen, die „rassistische, anti­semi­tische, sexistische oder sonstige menschen­verachtende Positionen vertreten“. „Ausgrenzung, Rassismus, Sexismus und Dis­kri­mi­nierung in jeglicher Form“ werden ferner ebenso wenig toleriert wie „Belästigungen, Beleidigungen, Beschimpfungen, Diffamierung und faschistische oder rassistische Äußerungen“.2

Wir haben selbst nicht den Eindruck, dass diese Eigen­schaften per se auf Inhaberin und Personal der Wurzel­küche zutreffen. Gleich­wohl vertei­digen diese aber vehement die in vielen Teilen unstrittig anti­semitische, national­istisch‑völkische, rechts­eso­terische, verschwörungs­ideo­lo­gische und anti­auf­klärerisch‑reaktionäre Ideologie der Anastasia‑Bewegung, wie sie ins­be­sondere in den Büchern Wladimir Megres fest­gehalten ist.3

Glaubens- und Meinungs­frei­heit sind hohe Güter in einer Demo­kra­tie. Sobald Meinungen oder Glaubens­vor­stellungen jedoch klar wissen­schaftlich fundierten Erkenntnissen und belegten Fakten wider­sprechen, sollten wir inne­halten und diese Stand­punkte kritisch hinter­fragen. Sobald dazu auch noch reaktionäre gruppen­be­zogen oder insgesamt menschen­feindliche Vorstellungen vertreten werden, sind wir in einer offenen Gesellschaft klar verpflichtet, dem keinen Raum zu geben.

Wir beenden daher mit dem heutigen Datum nach ausgiebiger interner Diskussion und Abstimmung die Kooperation mit der sogenannten Wurzel­küche unserer­seits, wünschen der Betreiberin und den Mitarbeiter:innen aber alles Gute und hoffen, dass hier vielleicht doch noch ein Umdenken erfolgt. Uns jedenfalls ist eine weitere Zusammen­arbeit unter diesen Um­ständen nicht möglich, sie verstieße klar gegen unsere Grund­sätze und Wert­vor­stellungen.

Foodsharing Dresden, im November 2021

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