Pressemitteilung
Stellungnahme von Foodsharing Dresden zum Artikel in der SZ vom 27.05.2022
Der kürzlich in der SZ über uns erschienene Artikel stellt unsere Arbeit in einem weithin falschen Licht dar. Daher hier kurz unsere Richtigstellung:
Der Artikel vermittelt den Eindruck, wir würden einfach easy peasy mit fünf Minuten Arbeit unseren kompletten Wocheneinkauf abgreifen, for free, und die erhaltenen Top-Lebensmittel im Endeffekt sogar noch Bedürftigen wegnehmen, weil wir eben zu Zeiten abholen können, zu denen die Tafel halt nicht kann; Pech für die, gut für uns. Und wenn es uns die Betriebe nicht freiwillig geben, dann brechen wir eben bei ihnen ein und holen es uns aus den Abfallcontainern. Okay, steht jetzt nicht direkt so da, aber den Eindruck könnte man in Summe glatt bekommen. Mafia 2.0
Das ist natürlich in jederlei Hinsicht Unfug. Uns geht es nicht darum, etwas gratis abzustauben, unser Ziel ist es, die stattfindende Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Es handelt sich hier um Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden würden. Die Lebensmittelproduktion beansprucht immense Ressourcen und setzt erhebliche Mengen an Treibhausgasen frei – und ein großer Teil der produzierten Lebensmittel wird gar nicht gegessen, sondern einfach weggeworfen, so dass das alles für die Katz war.
Das ist unser Antrieb. Wir setzen uns dafür ein, dass überschüssige Lebensmittel, solange sie grundsätzlich noch genießbar sind – und die meisten Lebensmittel sind das eben auch noch lange nach dem MHD – nicht weggeworfen werden, sondern bei Menschen landen, die noch froh darüber sind.
Und eben das ist in aller Regel nicht in zehn Minuten gemacht, sondern macht in Summe ganz erheblich viel mehr Arbeit. Selbst wenn man die ganze Aufklärungs- und Bildungsarbeit, die wir leisten, mal außen vor lässt: So eine Abholung macht in der Regel schon deutlich mehr Arbeit, als man beim Lesen des Artikels denken könnte. Gerade Biomärkte wie der hier gezeigte Alnatura wirtschaften in aller Regel schon sehr nachhaltig, so dass zumeist von vornherein gar nicht so schrecklich viel übrig bleibt (was vor allem auch der Grund ist, dass sich eine Abholung für die Tafel hier zumeist mengenmäßig gar nicht lohnt).
Bei anderen Betrieben steht man zum Teil auch schon mal vor 40 Stiegen Rettich und muss sich was einfallen lassen. Manche Abholungen dauern mit Vor- und Nachsortieren gerne mal ein, zwei Stunden, dazu kommt dann ggf. noch die Zeit fürs Weiterverarbeiten und Haltbarmachen sowie fürs Auf- und Weiterverteilen. Daneben geht Zeit für Fairteilerpflege drauf, für Aufklärungsarbeit, für Koordinationsaufgaben und einiges mehr. Wenn man sich das alles anschaut, dürfte klar sein: Foodsharing macht vor allem Arbeit und erfordert einen starken Idealismus für die Sache. Wer einfach nur schnell und günstig an Lebensmittel kommen will, der fände wohl erheblich weniger aufwendige Wege dafür.
Eine Bedürftigkeitspräferenz haben wir zudem bewusst nicht. Zum einen wollen wir uns nicht anmaßen, anhand irgendwelcher Kriterien zu beurteilen, ob jemand „bedürftig“ ist oder nicht (für Betroffene ist das oft sehr erniedrigend, alles haarklein offenlegen zu müssen), zum anderen geht es uns ja in erster Linie darum, dass die Lebensmittel noch gegessen werden, solange sie noch genießbar sind, und eben nicht in der Tonne landen. Hier spielt insbesondere auch Zeit eine maßgebliche Rolle. Es wäre aus Umweltsicht wenig sinnvoll, wenn wir gerettete Lebensmittel lediglich an Bedürftige abgeben würden, alle anderen abweisen und dann womöglich die Hälfte der Sachen wegwerfen müssten, weil sie nicht abgeholt wird. Unser Ziel ist ja gerade, das zu vermeiden. Deshalb machen wir an der Stelle keinen Unterschied.
In der Praxis sind dennoch viele unserer angemeldeten Foodsaver:innen trotzdem auch selbst „bedürftig“, wir haben viele Studierende und anderweitig Geringverdienende in unseren Reihen, die sich natürlich auch über die erhaltenen Lebensmittel freuen. Aber es macht wie gesagt vor allem auch Arbeit und ist weit weg von „ich lebe wie ein König und muss praktisch gar nicht mehr einkaufen gehen“.
Abgesehen davon, dass Containern nicht illegal sein sollte, sondern wenn dann eher das Wegwerfen guter Lebensmittel, „containern“ wir als Organisation natürlich nicht, sondern versuchen es eben gerade hinzubekommen, dass die Unternehmen die überschüssigen Lebensmittel gar nicht erst wegwerfen, sondern bestenfalls noch losbekommen, weniger bestellen oder uns eben legal und direkt aus der Kühlung heraus ohne den Umweg über die Tonne geben. Sofern einzelne Foodsaver:innen zusätzlich privat noch containern gehen, entzieht sich das unserer Kenntnis. Dazu aufrufen oder das systematisch als foodsharing machen tun wir natürlich nicht – im Gegenteil, wir treten ja gerade dafür ein, dass das nicht mehr nötig sein wird.
Dresden, 3. Juni 2022
Foodsharing Dresden, AG Außenkommunikation & Presse